Zwei Drittel der Deutschen klagen über Rückenschmerzen und die Zahl der Patienten mit Rückenschmerzen wächst stetig. Laut einer Umfrage vom BKK Bundesverband sind insbesondere Rückenleiden Ursache für Krankentage von Arbeitnehmern. Ein häufiger Grund für Rückenleiden ist zu wenig Bewegung. Regelmäßiger Sport kann das Risiko von Rückenbeschwerden deutlich senken. Sich 30 Minuten täglich mehr zu bewegen, bildet bereits eine gute Grundlage für einen gesunden Rücken.
Wir haben mit Rückenfitness-Expertin Kirsten Harms gesprochen. Sie ist seit über zehn Jahren in der Fitness- und Gesundheitsbranche tätig. Eine ihrer vielzähligen Ausbildungen hat sie im Rückenfitness-Bereich absolviert. An der Ostsee verhilft die gefragte Expertin in ihrem Personaltraining-Studio Kunden zu einem gesunden Körper und einem ganzheitlichen Wohlgefühl.
Kirsten, du hast bereits mit Anfang 20 selbst Erfahrungen mit starken Rückenschmerzen machen müssen und deshalb dein Leben diesem Thema gewidmet. Was hilft beständig gegen Rückenleiden?
Aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen, dass die RICHTIGE Bewegung das A und O ist. Und immer wieder auf Ausgeglichenheit im Leben achten. Das hört sich ganz simpel an, aber genau das verhilft zu einem starken und gesunden Rücken.
Was sollte man vermeiden?
Auf jeden Fall Stress im Alltag oder einen Job, in welchem man ständig unter Anspannung steht.
Woran erkenne ich Belastungen, die schädlich für den Rücken sind?
Man nehme sich die Zeit, um immer wieder in sich reinzuhorchen. Der volle Zeitplan heutzutage sorgt immer wieder für Druck, sodass wir Menschen immer „funktionieren“. Bei Rückenschmerzen halte dir dein persönliches Stoppschild hoch und überlege bewusst, welche Bewegung oder welche Situation dir nicht gut getan hat. Meist hat das eine mit dem anderen zu tun.
Wie werden aus Rückenschmerzen chronische Rückenleiden und auf welche Weise lässt sich das verhindern?
Die ersten Signale der Rückenschmerzen nicht ignorieren, sondern gleich beheben. So kann vielen chronischen Leiden vorgebeugt werden. Von chronisch sprechen wir, wenn ein Mensch sechs Monate oder länger anhaltend oder wiederkehrend den gleichen Schmerz erleidet.
Kirsten, welche Hausmittel helfen bei akuten Rückenschmerzen?
Ein warmes Bad nehmen hilft ungemein. Wärme allgemein. Gelegentliche Saunagänge, wenn man das mag. Ich würde immer eine Badewanne und ein Wärmekissen bevorzugen.
Ich habe in meiner Rückenschmerzzeit damals auch das altbewährte Mittel „Franzbranntwein“ entdeckt. Dieses Mittel lockert allgemein Verspannungen. Das fühlt sich gut an und hilft meist schon etwas. Allerdings sind das nur kurzfristige Lösungen. Generell sollte man Rückenschmerzen als Alarmzeichen sehen und langfristig etwas verändern.
Welche Übungen helfen bei akuten Rückenschmerzen? Was kann ich zuhause machen? Wie wichtig ist Bauchmuskeltraining für einen gesunden Rücken?
Wichtig ist immer eine entspannte Muskulatur, bevor die Muskulatur trainiert wird. Also Lockerungsübungen und Entspannungsübungen. Erst wenn sich die Muskulatur wieder gelockert hat, ist es sinnvoll, diese dann so zu trainieren, dass sie den Rücken kräftigt. Hier machen viele Menschen den größten Fehler. Sie trainieren den Rücken, da Probleme vorhanden sind und die angespannte Muskulatur wird meist noch fester. Erst locker werden. Im wahrsten Sinne des Wortes (lacht). Hier würde ich immer einen persönlichen Fitnesstrainer empfehlen oder für zu Hause eine DVD. Dort sieht man, worauf man wirklich achten muss, damit das Training auch in die richtige Richtung geht.
Generell ist es immer ein Zusammenspiel der Muskulatur im Körper. Trainiere ich die Rückenmuskulatur, macht es auch Sinn den Bauch, aber auch die Brustmuskeln zu trainieren. Wir wollen schließlich aufrecht und gerade durch das Leben gehen.
Was kann man im Alltag für einen gesunden Rücken tun?
Darauf achten, dass man die Alltagsbewegung immer wieder unterbricht bzw. die Haltung verändert. Hast du z. B. einen Bürojob, musst du dich möglichst oft bewegen, z.B. schüttle mal die Beine, kneife beim Kopieren die Pobacken zusammen und lass sie wieder locker oder mache mal ein paar kreisende Bewegungen mit deinem Kopf, um den Nacken zu lockern. Es gibt viele Möglichkeiten…
Wie steht man rückengerecht?
Achte darauf, dass du einen hüftbreiten Stand einnimmst und die Kniegelenke etwas locker lässt. (Gelenke bleiben grundsätzlich „weich“ und werden nicht durchgedrückt. Dadurch wird der Körper durch die Muskulatur gestützt und die Gelenke werden geschont.) Das Becken immer leicht nach vorne kippen, den Oberkörper lang/aufrecht ziehen und auch den Kopf, als ob du 2 cm wachsen möchtest. Lass Die Schulterpartie dabei locker. So fühlt man sich gleich schon ganz anders.
Worauf sollte man bei seinen Bewegungen achten?
Setze immer deine Muskulatur ein und schone die Gelenke. Die meisten Menschen bewegen sich falsch. Sie drücken die Gelenke durch, ohne die Muskeln einzusetzen. Man sollte jedoch die Gelenke – z. B. die Ellenbogengelenke beim Heben einer Kiste oder die Kniegelenke – nicht ganz durchdrücken. Dann arbeiten die Muskeln und die Gelenke werden geschont.
Viele Menschen müssen berufsbedingt täglich lange sitzen. Kannst du diesen Menschen Haltungstipps geben, die sie vor Rückenproblemen bewahren können?
1. Darauf achten, dass man richtig auf dem Stuhl sitzt. Der hintere Oberschenkel sollte nicht von der Stuhlkante eingedrückt werden, das kann die Durchblutung der Beine blockieren. Der Oberkörper sollte aufrecht sein (Rückenlehne überprüfen).
2. Ein Gymnastikball (statt Stuhl ) sorgt für eine gute Haltung.
3. Zwischendurch die Position verändern, aufstehen, gehen, bewegen.
4. Die Beine und Schultern immer mal wieder lockern.
5. Den Oberkörper mal nach rechts/links drehen oder nach vorne beugen.
6. Recken und strecken (da freut sich die Wirbelsäule).
7. Für frische Luft sorgen.
Vielen Dank für das Gespräch, Kirsten.
(Interview von: Anne Hetke)